Sonderausgabe 
Weihnachten 2023


Die Villmarer-Zeitung
macht Weihnachtspause
bis Mittwoch 27.12.2023. 

Nachfolgend ein paar
Weihnachtsgeschichten

Außerdem gibt es einen Link
zu den Bildern aller eingegangenen Weihnachtskrippen
und ein Weihnachtsrätsel. 

Ich wünsche allen Lesern schöne Feiertage.
Am Mittwoch erscheint die Villmarer-Zeitung wieder mit den neuesten Nachrichten aus dem Marktflecken und der Umgebung

 

Markt und Straßen stehn verlassen,
Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh’ ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,
Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.
Und ich wandre aus den Mauern
Bis hinaus in’s freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!
Sterne hoch die Kreise schlingen,
Aus des Schneees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!

Joseph von Eichendorff

 

Ein Kiefernzweig und eine Kerze

Wir waren zwar Berliner, aber zu diesem Zeitpunkt wohnten wir bei Verwandten in Finow. Mein Zwillingsbruder, meine zwei Monate alte Schwester, meine Mutter und ich (neun Jahre alt). Der Vater war tot; die Nazis hatten ihn umgebracht. Für den heiligen Abend hatte unsere Mutter einen Strauß von Kieferzweigen auf den Tisch gestellt. Wir Kinder hatten bunte Papierschlangen gebastelt und schmückten damit die Zweige. Aber wir hatten nur eine einzige Kerze! Die wurde vor den Strauß gestellt. Mutter hatte uns Kekse gebacken. Die Zutaten musste sie durch einige Tauschgeschäfte schon lange vorher zusammengestoppelt haben.

Als Überraschung kam unser älterer Bruder (19 Jahre) aus Berlin; er hatte sich als Soldat von Frankreich nach Berlin durchgeschlagen und lebte nun in unserem vom Krieg sehr beschädigten Siedlungshäuschen. Er brachte zu unserer Freude ein halbes Brot mit. Das Weihnachtsessen war ein Eintopf aus Grünkohlstrünken und Kartoffeln.

Als am Abend die Kerze angezündet wurde, sangen wir alle zusammen „Stille Nacht, heilige Nacht“, und wir bekamen einen Teller mit den Keksen. Mutter guckte uns so traurig an, weil sie uns keine weiteren Geschenke geben konnte. Als wir noch irgendetwas essen wollten, sagte sie ganz verzweifelt: „Ihr habt doch euren bunten Teller!“

Kälte und Kartoffelsalat

Nach unserer Vertreibung aus der Heimat im Juni 1945 hatte meine Mutter sich eine Kammer auf einem Bauernhof erbettelt, wir waren 36 und zwölf Jahre alt. So konnte meine Mutter verhindern, dass ich hungers starb. Ich ging vormittags in die Schule und war nachmittags als eine Art Kleinmagd eingestellt.

Am letzten Schultag stapfte ich heimwärts, immer wieder musste ich festgepappten Schnee von den Holzschuhen abklopfen. Wie würde Weihnachten werden? Wer einen Vater oder einen großen Bruder hatte, konnte sich im Wald selbst bedienen, aber es war gefährlich. Erst kürzlich war ein Holzsammler auf Munition getreten und „hochgegangen“. Da lag ein Fichtenzweig, ca. einen Meter lang, vor mir in der Pferdeschlittenspur. Dankbar hob ich ihn auf. In der unbeheizbaren Kammer klemmte ich den Zweig in Ermangelung einer Vase oder eines Ständers in die oberste Schublade der Kommode. Irgendwo fand ich ein Endchen einer roten Schleife, die Bäuerin gab mir ein paar Lamettafäden und einen Kerzenstumpf – so überraschte ich Mutti, die am Abend von der Arbeit im Reichsbahnbetriebswerk kam. Sie hat geweint. Am Heiligen Abend durften wir beim Bauern in der warmen Wohnküche sitzen und bekamen Würstchen mit Kartoffelsalat. Mutti hat wieder geweint. Als wir schon auf der Treppe zur Kammer waren, drückte mir der sechsjährige Dietmar ein Tütchen mit Keksen in die Hand, er tat mir manchmal etwas Gutes, hatte seine Verschwörermiene aufgesetzt und wollte mich ja später auch heiraten. Lange hat der Kerzenstumpf nicht gebrannt, es war auch viel zu kalt, Mutter und ich mussten rasch ins Bett flüchten…

Was für ein Weihnachtsmann!

Weihnachten 1945 bin ich acht Jahre alt und lebe mit meiner Mutter in  Berlin Hohenschönhausen. Wir sind bis zum frühen Abend bei der Nachbarin zu Gast. Da gibt es einen warmen Kachelofen, eine kleine Tanne und ein Tütchen Bonbons. Unser Zuhause ist auch weitgehend unversehrt geblieben, jedoch es ist kalt und ich kuschel mich zu Mutti ins Bett. Es klingelt an der Tür. Ich laufe los – vom Weihnachtsmann war doch so oft die Rede… Da steht er im Flur. Zerschlissene Stiefel, der Mantel lang und weit, schmutzig, zerrissen und von einem Stück Schnur zusammengehalten. Das Kinn bärtig, die Träne im müden Auge vermag ich nicht zu deuten. Der Weihnachtsmann greift ins Innere seines Mantels, entfaltet ein fettiges Stück Papier und strahlt. Mutti erkennt den Schatz, eine Kostbarkeit in diesen Zeiten. Ich bin außer mir vor Freude: ein Käsekuchen! Am nächsten Morgen ist mein Weihnachtsmann immer noch da – im Bademantel, in Pantoffeln, rasiert und mit leuchtenden Augen. Ich habe meinen Papa wieder, und auf dem Küchentisch liegt eine goldgelbe Speckseite.

Gemein zu einem Flüchtlingsmädchen

Wir wohnten in Sachsenhausen. Der letzte Schultag vor den Weihnachtsferien sollte ein besonderer werden. Jedes Kind hatte ein Päckchen mit einem Geschenk mitgebracht. Sie lagen auf dem Lehrertisch. Die größte Aufmerksamkeit erzielte ein winziger, in Zeitungspapier gewickelter Würfel, man konnte einen grünen Holzbauklotz erkennen. Das hatte ein Flüchtlingsmädchen mitgebracht. Sie hatte mehrere Geschwister, die Familie war sehr arm. Bei der Verlosung bekam dieses Päckchen unsere Klassenbeste, die sehr dominant war. Sie protestierte laut und schrie Beleidigungen und Gemeinheiten. Wir waren entsetzt. Unsere Klassenkameradin weinte bitterlich. Die Lehrerin erfüllte die Forderung nach einem anderen Päckchen nicht. Was niemand wusste: Der Bauklotz war hohl, in ihm lag eine kleine silberne Halskette. Es war das schönste Geschenk.

Besser früh einschlafen als wehklagen

Nach langer schwerer Flucht aus Niederschlesien erreichten wir, vier schulpflichtige Kinder und die Mutter, mit unseren Habseligkeiten, einem kleinen Reiserucksack und einer Decke, unseren Aufnahmeort. Dort wurden wir in einer alten Schule untergebracht. Wasser gab es nur aus einer in Stroh gepackten Pumpe auf dem Hof. Im einzigen Klassenraum lebten noch weitere Menschen. Wir hatten Strohlager als Betten.

Zu Essen gab es täglich Suppe aus Kartoffeln. Von den Dorfkindern wurden wir als Eindringlinge betrachtet, es war nicht ratsam, allein im Dorf unterwegs zu sein. Die Weihnachtstage unterschieden sich nicht vom normalen Alltag. Die fehlende Kost, die Dunkelheit ohne elektrisches Licht ließen keine Weihnachtsstimmung aufkommen. Die Mütter waren gewiss bestrebt, uns Kinder beizeiten zum Einschlafen zu bringen, um erst gar kein Wehklagen entstehen zu lassen. Wir waren heimatlos und blickten sorgenvoll in die Zukunft.

Glück durch den Unbekannten 

Im Januar 1945 war meine Mutter mit mir im letzten Zug aus Königsberg/Ostpreußen heil hier angekommen. Weihnachten war ich fast zwei Jahre alt. Sicher saßen wir in der kleinen Wohnung bei Kerzenschein, vielleicht gab es etwas mehr zu essen als üblich. Dann passierte das „Weihnachtswunder“, von dem meine Mutter berichtet hat: Es klingelte, sie öffnete zögerlich. Vor der Tür stand ein alter Mann mit einem Paket, eingepackt in Zeitungspapier. Er übergab es, wünschte „Frohe Weihnacht“ und lief eilig die Treppen hinunter ehe meine Mutter fragen konnte.

Als sie alles Papier entfernt hatte, stand ein kleiner Puppenwagen aus Korb da – welch eine Freude! Da konnte ich meine Flickenpuppe hineinlegen und mit bunten Stoffresten zudecken. Im Frühjahr 1946 waren noch etwa vier andere Mädchen in unserer Straße mit ebensolchen Korbwagen unterwegs. Wer war dieser wundervolle Mann? Er hat ein kleines Mädchen sehr glücklich gemacht in einer Zeit, da es fast nur Trümmer gab.

Erinnerungen an Weihnachten 1945
Der Zweite Weltkrieg war vorüber. In der zerschundenen Stadt, wo wir lebten, sollte Weihnachten sein! Ich war zwölf Jahre alt. Unsere Wohnung war nach den Einschlägen der „Stalinorgel“ nur notdürftig mit Pappe und Holz aus den Ruinen winterfest gemacht. Ich glaube, dass keiner begriff, dass eigentlich Weihnachten war. Von meinem Vater, der zuletzt an der Ostfront gekämpft hatte, hatten wir nichts gehört. Wir hatten keinen Strom, kein Heizmaterial, wir hungerten und froren! In unsere Räume hatte man ein altes Ehepaar eingewiesen, das durch die Zerstörungen keine Unterkunft mehr hatte. Und hier beginnt meine eigentliche Geschichte: Es klopfte an unsere Stubentür. Meine Mutter öffnete, und da stand die alte Dame mit zwei Briketts in der Hand und erinnerte uns an das Weihnachtsfest. Wir hatten ja nichts Äußeres, was heute das Fest so ausmacht. Keine Tanne, keinen Schmuck, keine Kerzen! Es gab nichts, und alles andere war zerstört. Nur der Kachelofen, der war heil geblieben. Voller Freude wickelte meine Mutter die Briketts in dickes Papier, und der Kachelofen fing an etwas Wärme zu spenden. Unser altes Ehepaar wurde eingeladen, dicht am Ofen die Wärme zu spüren. Auch unsere anderen Nachbarn wurden an den Ofen geführt. Die Frau brachte eine Kerze mit, die mal eine Kerze gewesen war, krumm und klein und völlig verschmutzt – aber sie brannte! So saßen wir im Dunkeln mit einem kleinen Kerzlein stumm zusammen. Keiner sprach ein Wort. Das alte Ehepaar hatte seinen Sohn im Krieg verloren, und der Sohn der Nachbarsleute war in Gefangenschaft. Mein Vater fehlte ja auch. Jeder hing seinen Gedanken nach, eine stille Stunde, wie man sie heute wohl nicht mehr erleben kann. Da stand der Nachbar auf, ging hinaus und kam mit einer Geige wieder. Ganz leise fing er an „Stille Nacht, heilige Nacht“ zu spielen. Ob wir da merkten, dass Weihnachten war? Ganz, ganz zaghaft fingen alle an mitzusingen. Die Tränen liefen, weil nun doch wohl endlich Frieden war.

 

Der geklaute Weihnachtsbaum
In zwei Wochen war Weihnachten. Das erste Fest nach dem schrecklichen Krieg! Ich war damals gerade elf Jahre alt und hoffte insgeheim, dass es nun richtige und große Geschenke geben würde. Aber als ich dann meiner Mutter den Zettel mit meinen Wünschen heimlich zusteckte, da sah sie mich so traurig an und schüttelte nur ihren Kopf. Ich ahnte, dass der Krieg zwar zu Ende war, aber für mich hatte sich doch nicht viel geändert.
Eines Abends unterhielten sich meine Eltern darüber, dass dieses Jahr wohl kein Weihnachtsbaum aufgestellt werden könnte. Rund um unser Dorf wären alle Wälder vermint und es sei zu gefährlich, einen Baum zu schlagen. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass wir Weihnachten ohne einen Tannenbaum feiern sollten.
Mein Vater hatte mir einmal gesagt, dass Minen hochgehen, wenn man darauf tritt. Daraus folgerte ich, dass ich mit meinem Gewicht als Elfjähriger bestimmt keine Mine zur Explosion bringen würde. Ohne zuhause etwas zu sagen, schlich ich mich einige Tage vor Heiligabend heimlich in den nahe gelegenen Wald. Als ich von einem Seitenweg aus in eine zerschossene Schonung hineinging, sah ich zwar das große Schild mit der Aufschrift „Achtung Minengefahr!“, aber als ich ein wunderschönes kleines Fichtenbäumchen vor mir entdeckte, da empfand ich keine Gefahr mehr. Vorsichtig kroch ich auf allen Vieren ein Stück näher heran und sägte es ab. Stolz wollte ich es gerade aufheben, da spürte ich plötzlich, wie eine harte Hand mich von hinten packte. Erschrocken drehte ich mich um und blickte in das wütende Gesicht eines amerikanischen Soldaten. Dieser begann zu schreien und zu schimpfen in einer Sprache, die ich nicht verstand. Immer wieder zeigte er mit der Hand auf das Minenhinweisschild und redete ununterbrochen auf mich ein. Heute weiß ich noch ganz genau, welche Todesangst ich damals ausgestanden habe. Ich stand regungslos da und starrte den Mann nur an. Als der Soldat dann schließlich zu seinem Jeep zurückging, da dachte ich nur noch, jetzt holt er eine Knarre und erschießt dich. Doch wie verblüfft war ich, als er mit vier riesig großen Tafeln Schokolade zurückkam! Ich konnte es kaum fassen, was er jetzt tat. Mit Kordel band er die Schokolade an den Ästen des Bäumchens fest. Schmunzelnd drückte er mir dann den geschmückten, kleinen Baum in die Hand. Bevor er mit dem Geländewagen abbrauste, hörte ich ihn noch im gebrochenen Deutsch rufen: „Frohe Weihnachten!“
Wir haben zuhause in den nächsten Jahren viele und herrliche Weihnachtsbäume gehabt. Das geklaute Bäumchen von Weihnachten 1945 aber war und bleibt bis heute etwas Einmaliges. 

 

Vom Schenken und den Weihnachtswichteln

An den Weihnachtsmann glaubt Maximilian schon lange nicht mehr, auch nicht an das Christkind oder an den Nikolaus. Und schon gar nicht glaubt er, dass es kleine Wichtel gibt, die in der Adventszeit unterwegs sind und heimlich Geschenke verteilen. Hoho! Wer verschenkt schon etwas freiwillig und einfach nur so, ohne dass man etwas von ihm sieht oder hört? Ein Märchen ist das. Aber ein Schönes, das es nicht gibt. Leider. Wie sehr staunt er aber, als er eines Adventmorgens ein buntes Päckchen entdeckt, das halb unter dem Fußabstreifer versteckt vor der Haustür liegt.
„Für Maximilian von deinem Weihnachtswichtel“ steht auf einem Schildchen, das jemand auf das Päckchen geklebt hat. Weihnachtswichtel? Aufgeregt packt Maximilian das Päckchen aus und findet ein Buch aus seiner Lieblingsabenteuerserie. Es ist das neueste, das er noch nicht kennt und das er sich schon so sehr wünscht. Wie toll ist das denn? Und wie aufregend! „Wer bist du, Weihnachtswichtel?“, ruft Maximilian in den Flur hinaus. „Und woher weißt du, dass ich mir genau dieses Buch wünsche?“ Klar, der Wichtel ist längst verschwunden. Maximilian wundert sich. Wer mag dieser geheimnisvolle Kerl sein? Und warum legt er ihm klammheimlich ein Geschenk vor die Tür? Das fragt er später auch seinen besten Freund Jan. Der aber zuckt nur ratlos mit den Schultern. „Das ist halt so eine Adventssitte“, meint er. „Da darfst du nie erfahren, wer dein Wichtel ist.“ Das kann Maximilian nicht begreifen. „Ist doch blöd, wenn man nicht weiß, wer einem etwas schenkt, oder?“ Jan schüttelt den Kopf. „Ich find es spannend! Außerdem, sagt meine Mama, ist die Adventszeit eine Geheimniskrämerzeit.“ Stimmt. Geheimniskrämereien mag Maximilian auch gerne. Trotzdem ist er schrecklich neugierig. Wenn er nur wüsste, wer ihm das Päckchen vor die Tür gelegt hat! „Nicht mal ‚Danke‘ kann ich zu ihm sagen“, knurrt er. „Weihnachtswichtel mögen das Wort ‚Danke‘ nicht leiden“, meint Jan. „Ist doch klar, oder?“ Na ja. So recht glauben kann Maximilian seinem Freund dies nicht. Und überhaupt: Warum grinst Jan die ganze Zeit so komisch? Ob er etwa Wichtel gespielt und ihm dieses Päckchen vor die Tür gelegt hat? Den ganzen Tag grübelt Maximilian darüber nach. Und plötzlich hat er eine Idee. Er lächelt und reibt sich die Hände. „Morgen“, nimmt er sich vor, „lege ich ein Päckchen vor Jans Haustür. Dann kann der sich mal den Kopf zerbrechen, wer sein Weihnachtswichtel ist. Ha, er wird es nie raten!“ Voller Vorfreude sieht Maximilian das ratlose Gesicht seines Freundes vor sich, und plötzlich begreift er die Sache mit den Weihnachtswichteleien. „Komisch“, murmelt er. „Diese Wichtel sind gar kein Märchen. Und jemandem heimlich etwas zu schenken, macht viel mehr Spaß als selbst etwas geschenkt zu bekommen. Da braucht man gar kein ‚Dankeschön‘

Die Geschichte vom griesgrämigen Manager

Es war einmal ein Mann, der lebte alleine in einem großen Apartmentkomplex. Für ihn verlief jeder Tag genau nach demselben Schema: Morgens nachdem ihn sein Smartphone aus dem Schlaf gerissen hatte, prüfte er noch im Bett seine Mails. Dann zog er sich ein weißes Hemd an, das seine Haushälterin tags zuvor für ihn gebügelt hatte und schlüpfte in den Anzug. Mit dem Aufzug ging es direkt von seiner Wohnung in die Garage, wo sein teures Luxusauto parkte. Ein gelungener Morgen war für ihn, wenn er niemandem dabei begegnete. Jedes Wort an Smalltalk kostete ihm Überwindung. An seinem Arbeitsplatz in der Bank hatte er eine Managerposition inne. Für jeden Hauch von Weihnachtsstimmung seiner Mitarbeiter hatte er nur verächtliche Blicke parat.
Schließlich kam er eines Abends zurück in sein zu Hause und traf in der Garage eine junge Familie. Die Kinder liefen gleich zu ihm und bestaunten den teuren Wagen. "Nicht anfassen", herrschte er sie an. Ohne ein Wort zu verlieren, stieg er zu den beiden Kleinen und den Eltern in den Aufzug. "Ist der Mann böse", sagte das kleine Mädchen angespannt. "Nein vermutlich nur müde von der Arbeit", antwortete die Mutter mit einem Blick auf den Mann.
So verging eine weitere Woche der Adventszeit bis sich das Leben des Mannes auf einen Schlag änderte. Wie immer hatte er es eilig, vom Büro nach Hause zu fahren. Obwohl es den ganzen Tag geschneit hatte, passte er sein aggressives Fahrverhalten der Witterung nicht an. Immerhin hatte er tausende von Euro für den Wagen mit ABS, Airbags, Winterreifen und allen erdenklichen Extras ausgegeben. Was sollte da schon groß passieren? Es kam wie es kommen musste: Das Auto geriet in einer Kurve ins Schleudern und prallte gegen einen Baum. Der Mann verlor das Bewusstsein und kam erst wieder zu sich, als er eine Stimme sagen hörte: "Alles wird gut". "Bin ich im Himmel?", schoss es dem Mann durch den Kopf. Als er langsam die Augen öffnete, erkannte er den Wagen seiner neuen Nachbarn, die wenige Wochen zuvor in seinen Apartmentblock eingezogen waren. Sie alarmierten die Einsatzkräfte, die den Mann ins Krankenhaus brachten.
Als man ihm sagte, er müsse einige Zeit stationär aufgenommen werden, brach für ihn eine Welt zusammen. Gerade er, der so wichtig war, würde für mehrere Wochen in seinem Job fehlen. Da er seine Freunde mit seiner ruppigen Art längst vergrault und keine Familie hatte, waren die ersten Tage einsam. Noch dazu war das Krankenzimmer weihnachtlich geschmückt und die anderen Patienten stimmten sich offensichtlich auf das große Fest ein. Zum ersten Mal seit vielen Jahren fühlte sich der Mann einsam. Während der alte Opa, der mit ihm ein Zimmer teilte, täglich sogar mehrmals Besuch erhielt, verbrachte er unzählige Stunden damit, die Decke anzustarren. Sein Smartphone war bei dem Unfall kaputt gegangen und er hatte niemanden, der für Ersatz sorgen könnte. Doch dann - am Tag vor dem Heiligen Abend - öffnete sich die Tür zu seinem Krankenzimmer: "Wir wollten sehen, wie es Ihnen geht", sagte die Nachbarin, als sie an sein Bett trat. Dankbar lächelte der Mann sie an und fing langsam, mit stockenden Worten an von seinen Schmerzen zu erzählen. Geduldig und einfühlsam hörte die Frau zu. Nach einiger Zeit kramte sie in ihrer Tasche: "Ach ja, die Kinder haben Ihnen etwas gemalt". Sie zog eine Zeichnung von einem Weihnachtsengel heraus. Eine Welle der Emotionen überrollte den Mann. Als sie dann noch eine Packung selbst gebackene Kekse hervorholte, war es um seine Haltung geschehen. Tränen der Dankbarkeit rollten über seine Wangen. "Und wenn Sie nach Hause kommen, lade ich Sie zu uns ein, um den Weihnachtsbaum anzusehen", fügte die Nachbarin dazu. "Ich komme gerne", sagte der Mann und wie im Weihnachtswunder meinte er es auch so.

Der geschenkte Hund

Seitdem ihr Mann vor einigen Jahren gestorben war, vermied es Frau Trist ab Mitte November ihre Wohnung öfter als unbedingt notwendig zu verlassen. Egal wohin sie auch ging, überall dudelte Weihnachtsmusik aus den Lautsprechern und der Duft von Lebkuchen und Glühwein mischte sich zum Mief der Autoabgase. "Noch mehr Verkehr als sonst und das nur wegen der Weihnachtseinkäufe", dachte Frau Trist griesgrämig. Selbst den Weg zum Supermarkt zögerte sie so lange wie möglich hinaus. Immerhin erwartete sie in den Geschäften der Glitzer der Weihnachtskugeln und unzählige Erinnerungen an eine Zeit, als sie mit ihrem Mann jeden Adventssonntag bei Kerzenschein dem Himmel dafür dankten, dass sie nach Jahrzehnten noch so glücklich miteinander waren. Den Glauben an Weihnachtsengel hatte Frau Trist verloren, als ihr Mann ausgerechnet an einem 21. Dezember vom Mittagsschlaf nicht mehr erwachte. Plötzlicher Herztod war die Diagnose. Seitdem hatte Weihnachten keinen Sinn mehr für Frau Trist und da sie keine Kinder hatte, wurde sie regelrecht zum Einsiedler. Einzig mit ihrer Nachbarin, einer netten Dame mittleren Alters, wechselte sie ab und zu ein paar Worte. Sie hatte einen niedlichen Pudel, der als einziges Lebewesen der Welt ein Lächeln auf das Gesicht von Frau Trist zauberte.
Und so kam es, das die Nachbarin ausgerechnet an einem 21. Dezember bei ihr an der Tür läutete. Zunächst wollte Frau Trist die Tür gar nicht öffnen. Aber da sie beharrlich weiter läutete, erhob sich die ältere Dame doch und ging schweren Schritts zur Tür. Jeden 21. Dezember hatte sie auf dieselbe Art und Weise verbracht: So lange wie möglich blieb sie morgens unter ihrer Bettdecke liegen, dann setzte sie sich in ihren Lehnstuhl und verharrte dort bis es dunkel wurde. Der Fernseher blieb ebenso stumm wie das Radio, sie existierte nur, bis der nächste Morgen anbrach. Und nun störte die Nachbarin dieses Ritual! "Frau Trist, was machen sie denn noch im Nachtgewand", fragte diese. Neben der Nachbarin stand ein kleiner Hund, der seinen Kopf genauso hängen ließ wie Frau Trist. "Sie wissen ja, ich arbeite in einem Pflegeheim", setzte die Nachbarin fort. "Wir haben seit gestern einen neuen Bewohner und das ist sein Hund, den er nicht mitnehmen durfte. Ich dachte, weil Sie ja alleine sind, vielleicht könnte er ja bei ihnen bleiben." Zunächst wollte Frau Trist ablehnen, doch dann trat das kleine Wollknäuel einen Schritt nach vorne und sah sie aus traurigen, braunen Augen an. "Nur über die Feiertage, wenn Sie mit ihm nicht zurechtkommen, muss ihn das Tierheim holen". Das wollte Frau Trist nicht. Und so kam es, dass genau am 5. Todestag ihres Mannes der kleine Benno bei Frau Trist einzog. Tief in ihrem Herzen war sie davon überzeugt, dass ihr Mann den Vierbeiner zu ihr geschickt hatte. Frau Trist war an diesem Weihnachten zum ersten Mal seit langem nicht mehr alleine. Gemeinsam mit Bello lauschte sie am Heiligen Abend dem Weihnachtschor im Fernsehen und es kam ihr fast vor, als ob der Hund ein Weihnachtsengel sei.

Drei Wünsche

Ein kleiner Junge besuchte seinen Großvater und sah ihm zu, wie er die Krippenfiguren schnitzte. Der Junge schaute sie sich ganz intensiv an, und sie fingen an, für ihn zu leben. Da schaute er das Kind an - und das Kind schaute ihn an. Plötzlich bekam er einen Schrecken, und die Tränen traten ihm in die Augen. "Warum weinst du denn?" fragte das Jesuskind. "Weil ich dir nichts mitgebracht habe", sagte der Junge. "Ich will aber gerne etwas von dir haben", entgegnete das Jesuskind. Da wurde der Kleine rot vor Freude. "Ich will dir alles schenken, was ich habe", stammelte er. "Drei Sachen möchte ich von dir haben", sagte das Jesuskind. Da fiel ihm der Kleine ins Wort: "Meinen neuen Mantel, meine elektrische Eisenbahn, mein schönes Buch ..."? "Nein", entgegnete das Jesuskind, "das alles brauche ich nicht. Schenk mir deinen letzten Aufsatz."
Da erschrak der Kleine. "Jesus", stotterte er ganz verlegen... und flüsterte: "Da hat doch der Lehrer 'ungenügend darunter geschrieben". "Eben deshalb will ich ihn haben", antwortete das Jesuskind. "Aber, warum denn?" fragte der Junge. "Du sollst mir immer das bringen, wo 'ungenügend' darunter steht. Versprichst du mir das?“ "Sehr gern", antwortete der Junge. "Aber ich will noch ein zweites Geschenk von dir", sagte das Jesuskind..., "deinen Milchbecher". "Aber den habe ich doch heute zerbrochen", entgegnete der Junge. "Du sollst mir immer das bringen, was du im Leben zerbrochen hast. Ich will es wieder heil machen. Gibst du mir das auch?" "Das ist schwer", sagte der Junge. "Hilfst du mir dabei?" "Aber nun mein dritter Wunsch", sagte das Jesuskind.
"Du sollst mir nun noch die Antwort bringen, die du der Mutter gegeben hast, als sie fragte, wie denn der Milchbecher kaputtgegangen ist." Da legte der Kleine die Stirn auf die Kante und weinte so bitterlich: "Ich, ich, ich ...", brachte er unter Schluchzen mühsam heraus, "... ich habe den Becher umgestoßen, habe ich meiner Mutter gesagt. In Wahrheit habe ich ihn absichtlich auf die Erde geworfen." "Ja, du sollst mir all deine Lügen, deinen Trotz, dein Böses, was du getan hast, bringen", sagte das Jesuskind. "Und wenn du zu mir kommst, will ich dir helfen; ich will dich annehmen in deiner Schwäche; ich will dir immer neu vergeben; ich will dich an deiner Hand nehmen und dir den Weg zeigen. Willst du dir das schenken lassen?" Und der Junge schaute, hörte und staunte..

Das Weihnachtswunder

Es ist das erste Jahr, dass Marlene sich nicht auf Weihnachten freut. Um ehrlich zu sein hat sie regelrecht Angst davor. Angst vor dem Alleinsein. Der Gedanke an die Menschen, die Heiligabend mit ihren Lieben zusammen sein können, bereitet ihr beinahe körperlichen Schmerz.
Vor vier Monaten erst hat sie die Stelle in der Klinik in Skagen angetreten. Dass es geklappt hat war, zumindest karrieretechnisch, ein echter Glücksfall. Marlenes Dänischkenntnisse waren sicher nicht die besten, ihr Kenntnisse als Unfallchirurgin dafür jedoch umso exzellenter. So landete sie schließlich am nördlichsten Zipfel von Dänemark, in dieser bezaubernden kleinen Stadt, in einem wunderbaren kleinen Häuschen mit Blick aufs Meer.
Marlene wäre gerne über Weihnachten nach Hause zu ihren Eltern gefahren. Jedes Jahr wurde im Elternhaus gemeinsam gefeiert. Dort versammelten sich die beiden Brüder, irgendwann deren Frauen und später auch die Enkel. Vor allem die kleinen Nichten und Neffen, mit ihren unschuldig und so glücklich funkelnden Augen, machten den Heiligabend auch für Marlene zu einem ganz besonderen Erlebnis.
Dieses Jahr hatte Marlene am ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag Bereitschaftsdienst. Das bedeutete, dass sie zwar nicht vor Ort zu sein brauchte, aber immer telefonisch erreichbar und im Bedarfsfall binnen 30 Minuten in der Klinik zu sein hatte. Bereitschaftsdienste sind im beschaulichen Skagen eher Formsache. Vielleicht sind die Dänen auch außerhalb der regulären Dienstzeiten einfach vorsichtiger, schon allein um keine Umstände zu machen.
Überhaupt hatte Marlene die Leute in Skagen als überaus freundlich, aufmerksam und hilfsbereit kennengelernt. Ihre Nachbarn hatten sie herzlich mit selbst gebackenen Drømmekage, dem traditionellen dänischen Traumkuchen, willkommen geheißen. Ab und an traf man sich am Gartenzaun und soweit es sprachlich möglich war, plauderte man ein wenig über Gott und die Welt.
Schon bald aber wurden die Tage kürzer. Die Sonne ging immer später auf und immer früher unter. Es gab nur noch die freien Tage, in denen Marlene tatsächlich Tageslicht sah. Was für die Menschen so hoch im Norden wiederkehrende Normalität war, schlug ihr tatsächlich aufs Gemüt. Sie tat es den Leuten in Skagen gleich, die sich mit allerlei Lampen und Kerzen buchstäbliche Lichtblicke in ihr Zuhause holten. Doch die zunächst noch romantische und heimlige Atmosphäre verlor sich irgendwann in der Macht dieser dunklen Jahreszeit.
So war es also Heiligabend geworden. Marlene hatte sich Tee gekocht, saß vor dem Kaminofen, in dem das Feuer beinahe aufgeregt knisterte und wohlige Wärme schuf. Eigentlich hätte sie nur zu gerne ein paar Weihnachtslieder gehört, doch sie wusste, dass sie damit alle Schleusen öffnen und einfach nur noch hemmungslos weinen würde. Was insofern ungünstig wäre, da sie in einer halben Stunde zumindest per Skype doch noch bei ihrer Familie sein würde.
Gerade als sie ihr Notebook am Esszimmertisch aufklappte, klopfte es laut an der Tür. Marlene zuckte zusammen. Wer oder was konnte das sein? Sie ging in den kleinen Vorratsraum neben der Tür, spähte durch das schmale Fenster und dann sah sie es.
Das Weihnachtswunder! Menschgeworden und schwer bepackt standen ihre Eltern, Brüder, Schwägerinnen sowie ihre Nichten und Neffen vor dem Haus. Marlene war nicht mehr zu halten und lief, so schnell es die Wollsocken auf den Holzdielen eben zuließen, zur Tür.
"Weißt Du mein Kind," meinte ihre Mutter, als sie Marlene zur Begrüßung in die Arme schloss, "wir haben’s einfach nur gemacht wie die drei Weisen. Wir sind dem Stern gefolgt und unseren Herzen.". Dann zeigte sie in den Himmel. Tatsächlich stand der Polarstern an diesem Heiligabend direkt über Skagen und warf sein helles Licht auf das kleine Haus von Marlene.

Weitere schöne Weihnachtsgeschichten zum lesen und vorlesen gibt es hier: 

oder hier:

oder auf YouTube als Hörspiel zum anhören
von Charles Dickens

oder verschiedene Märchen und
Geschichten zu Weihnachten

Grüße zu Weihnachten

καλά Χριστούγεννα

Liebe Gäste
wir wünschen allen ein schönes Weihnachtsfest
und einen guten Start ins neue Jahr 2024
Bitte beachten:  an Silvester öffnen wir erst am Abend 
um mit ausverkauftem Haus ins neue Jahr hinein zu feiern

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